EU-AUSSENGRENZEN : SCHICKSALSFRAGE FÜR EUROPA ?

Am 28.11.2018 um 18.30h fand in München in der bis auf den letzten Platz gefüllten Zirbelstube des Franziskaner in der Residenzstr 9 ein höchst spannender Ausspracheabend im Rahmen der IEM-Reihe Talk of Europe statt. Etwa 25 sehr interessierte Zuhörer lauschten zunächst den Ausführungen des Impulsgebers Prof. Dr. Erich Vad, Brigadegeneral a.D. und 7 Jahre lang strategischer Berater der Kanzlerin. Danach gab es bei Speis & Trank eine lebhafte Diskussion, an der sich sämtliche Teilnehmer beteiligten. Die Veranstaltung schloss offiziell um ca 21h, die bilateralen Gespräche gingen aber noch weiter. Foto Quelle ErichVad-consultants

Das inhaltliche Ergebnis des Abends ist die Forderung, dass

ein Fokus der Weiterentwicklung Europa’s darin bestehen sollte, die äußere Verteidigungsfähigkeit von Europa’s Außengrenzen durch eine EU-multinationale Eingreiftruppe zu stärken.

 Der Aufbau einer funktionierenden Abwehr und die digitale Registrierung von Migrationsfällen bringt auch nach innen die dringend erforderliche Entspannung für das Vertrauen der Bürger in zügige EU-Reformen.

Das Fazit des Abends:  Wir brauchen eine eigenständige europäische Sicherheitsstrategie

Dr. Erich Vad analysierte die Lage im Einzelnen wie folgt:  

Ausgangssituation Sicherheitspolitik

– Die Bundeswehr wurde über 12 Jahre hinweg verkleinert, beispielsweise wurden die Streitkräfte von 500.000 auf 170.000 reduziert.
– Militärisch ist eine Abhängigkeit von USA entstanden, in D und in EU
– Es herrscht Nachholbedarf in der deutschen Sicherheitspolitik

 

Gesellschaftlich-politische Rahmenbedingungen und Hintergründe in D:

– Deutschland pflegt eine pazifistische Gesellschaft ohne Sicherheitsbewusstsein, keine strategische geopolitische Kultur
– Die Politik ist eher innen- und sozialpolitisch orientiert als außenpolitisch
– Durchdachte eigenständige außenpolitische Strategie fehlt –  auch auf EU-Ebene
– Der Nachwuchs hat keine Wehrbereitschaft, das Private und die materielle Sicherheit empfindet die Generation Y als wichtiger.
– Der deutsche Bürger wird engmaschig gegängelt, zB von Finanzbehörden. Bei Migration dagegen ist scheinbar alles erlaubt, ein rechtsfreier Raum, Bürger fühlen den Kontrollverlust des Staates.

 

Das Umfeld / andere Staaten:

– Chinesen haben eine klare Industrie- und geopolitische Strategie, zB die „Seidenstrasse“, das 16+1 Format oder Infrastruktur-Finanzierung in der EU
– Die Bedrohungswahrnehmung Russlands in EU ist unterschiedlich:
Ost-EU-Länder wie Polen und Balten sehen eher Russland als Gefahr
Südliche Länder sehen eher Gefahr aus Afrika kommend
– in der EU blicken viele auf Berlin, die deutsche Regierung gibt Führung in militärischen Angelegenheiten an Paris weiter

 

Das Dilemma:

– Ruf nach Deutscher Führung und gleichzeitig Angst vor zu viel Deutscher Führung
– Selbst innerhalb Deutschlands führt allein die Ausarbeitung einer nationalen Sicherheitsstrategie zu absurden Diskussionen
– Denknarrative in Medien und Öffentlichkeit lassen keinen lösungsorientierten freien Diskurs zu

 

Schlussfolgerung:

– USA bleibt in der Führung in vielerlei Hinsicht: technisch. wirtschaftlich, operativ.
– Eine eigene Verteidigung durch die EU selbst ist kaum machbar
– Bündnis mit USA bleibt notwendig, wer führt aber in Europa?
– Eine Konkurrenz zur Nato ist nicht die Lösung (zumal viele EU-Länder den Nato-Beitritt wegen der US-Nukleargarantie vorgenommen haben)
– Parallele oder separate Grenzschutzorganisationen sind keine funktionierende Lösung

 

Was ist zu tun:

– Eine zur NATO-komplementäre, gesamtstrategische Herangehensweise auf Basis der Frage „Was ist unsere Aufgabe?“: eine EU-multinationale Grenz- und Eingreiftruppe
– Ausarbeitung eines effektiven europäischen Grenzschutzes
– Nutzung moderner technischer Möglichkeiten des Grenzschutzes, der den „Fluss“ an den Grenzen aufrecht hält und gleichzeitig Kontrolle darstellt.
– Heben der enormen Synergien bei gemeinsamer Entwicklung, Beschaffung und operativer Effizienz der modernen militärischen Ausrüstung und Waffensysteme
– Verknüpfung aller relevanten Bereiche der innen- UND außenpolitischen Sicherheit unter einer  eigenständigen EU-Sicherheitsstrategie

 

Zur Person: Dr. Erich Vad (* 2. Januar 1957 in Arnsberg) ist Brigadegeneral a. D. der Bundeswehr, Partner bei dem Schweizer Beratungsunternehmen Hirzel, Neef, Schmid Konsulenten in Zürich[1] und Lehrbeauftragter für Internationale Beziehungen an der Universität Salzburg. Er war von 2006 bis 2013 Gruppenleiter im Bundeskanzleramt, Sekretär des Bundessicherheitsrates und Militärpolitischer Berater der Bundeskanzlerin Angela Merkel.

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