Jüdisches Leben in Deutschland sichern…

…und die Voraussetzungen dafür schaffen, es weiter auszubauen

Es gibt wieder jüdisches Leben in Deutschland, wenn auch längst noch nicht so wie vor 1933. Dass war und ist seit 1945 nicht selbstverständlich. Mit der Machtergreifung von Adolf Hitler ab 1933 entrechtete und verfolgte das NS-Regime die Juden. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 begann der organisierte Völkermord, dem sechs Mio. Juden zum Opfer fielen.

1950 lebten nur noch etwa 15.000 Juden in Deutschland. Die Gemeinden und ihre Mitglieder drohten auszusterben[1]. Es kam anders. Heute sind es wieder 125.000 Juden (lt. Statista[2], nach anderen Quellen etwa 200.000[3]), davon sind nach dem Zentralrat der Juden 90.478 in den deutschen Gemeinden und Landesverbänden aktiv (2023). Die Mitgliedszahlen sind seit mehreren Jahren rückläufig[4], 2005 waren es noch 108.289[5].

1933, vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten zählten die jüdischen Gemeinden im Deutschen Reich noch ca. 560.000 Mitglieder. Das sich überhaupt wieder jüdisches Leben in Deutschland entfalten konnte, ist der Zuwanderung aus der früheren Sowjetunion seit dem Ende der 1980er Jahre zu verdanken[6]. Der damalige sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow erlaubte ihnen die Ausreise[7].

Dass jüdisches Leben nach der Schoa in einem größeren Umfang in Deutschland wieder möglich wurde, ist auch der deutschen Politik in der Nachkriegszeit zu verdanken, die dafür erst die Voraussetzungen schuf. So hat sich Bundeskanzler Konrad Adenauer[8] früh für eine Aussöhnung mit Israel ausgesprochen. Er fühlte sich der moralischen und materiellen Wiedergutmachung verpflichtet:

„Im Namen des deutschen Volkes sind aber unsagbare Verbrechen begangen worden, die zur moralischen und materiellen Wiedergutmachung verpflichten […]. Die Bundesregierung ist bereit, gemeinsam mit Vertretern des Judentums und des Staates Israel, der so viele heimatlose jüdische Flüchtlinge aufgenommen hat, eine Lösung des materiellen Wiedergutmachungsproblems herbeizuführen, um damit den Weg zur seelischen Bereinigung unendlichen Leides zu erleichtern.“[9]

Die Aufarbeitung des geschehenen Unrechts in der NS-Zeit war zunächst schwierig. Die Schoa wurde verdrängt, auch geleugnet. Verdienste bei der Aufarbeitung des Antisemitismus und der Versöhnung erwarb sich der deutsche Jurist und Wirtschaftswissenschaftler Franz Böhm. In seinem offenen Brief an die Antisemiten unter uns (1950) schrieb Böhm: „… Das Unrecht, das die Menschen den Juden angetan haben, nagt an ihren Herzen und macht sie noch antisemitischer, als sie schon waren. Deshalb ist es auch nicht Same der Juden, dem Antisemitismus den Boden zu entziehen…“[10].

Franz Böhm leitete auf Vorschlag von Konrad Adenauer die deutsche Delegation für die Wiedergutmachungsverhandlungen. Am 10.09.1952 wurde das Luxemburger Abkommen geschlossen. Das erste Treffen mit dem israelischen Premierminister David Ben-Gurion fand 1960 statt. Es wurden zunehmend Entschädigungen gezahlt, 1965 wurden diplomatische Beziehungen aufgenommen[11]. Trotz dieser erfreulichen Annäherung blieb auch klar: Das was geschehen war, ließ sich nicht wiedergutmachen. Deutsche Regierungen konnten und können aber dabei helfen, dass einerseits der Staat Israel lebensfähig ist und weiter prosperiert und andererseits, dass jüdisches Leben auch in Deutschland wieder attraktiv und sicher ist.

Es ist aber noch etwas anderes, auf das Franz Böhm hinwies. Die Bekämpfung des Antisemitismus ist auch eine Herzensangelegenheit[12]. Die Shoah aufzuarbeiten bedeutet auch, sich von dem grausamen Schicksal der früheren Mitbürger, die gute Nachbarn, angesehene Ärzte, Anwälte, Kaufleute und Freunde waren, berühren zu lassen. Bei der Aufarbeitung der Geschichte hilft vor diesem Hintergrund die Analyse von Einzelschicksalen[13].

Auch die Kanzler nach Konrad Adenauer setzten sich für die Wiedergutmachung ein, gaben auch Geld. Ist die aktuelle Regierung aber wirklich mit dem Schicksal des Landes verbunden? Gerade jetzt braucht Israel Beistand. Da kommt kaum ein anderes Land mehr ins Spiel als Deutschland. Immerhin zählen wir nach den USA zu den wichtigsten Partnerstaaten und der Einsatz für die Existenz Israels ist glaubwürdig.

Die meisten jüdischen Einwohner leben heute (2023) in den USA (7,5 Mio.) und damit mehr als in Israel (7,208 Mio.) selbst. Danach folgen Frankreich (440 Tsd.), Kanada (398 Tsd.) und Großbritannien (312 Tsd.)[14]. Deutschland ist mit nur 125 Tsd. Juden (oder auch 200.000 (s.o.), die genauere Zahl ist unklar) weit hinten. Das ist nach dem Zivilisationsbruch in der NS-Zeit nicht überraschend. Wäre es nicht eine gute Idee, wieder mehr für die Einwanderung jüdischer Bürger nach Deutschland zu tun?

Erstmal müssten dafür die Bedingungen für jüdisches Leben wieder deutlich verbessert werden. Es ist fraglich, ob angesichts der Nachrichten über Antisemitismus in Deutschland überhaupt eine nennenswerte Zuwanderung erfolgen würde. Auch die verschlechterte Sicherheitslage spricht dagegen[15]. Es ist leider richtig: Der Antisemitismus ist nach wie vor in Deutschland verbreitet und könnte ohne Gegenmaßnahmen noch deutlich zunehmen. Es ist daher notwendig, entschlossen zu handeln und jüdischen Leben neue Perspektiven in Frieden und Sicherheit zu garantieren. Welches Land sollte hier eine größere Verpflichtung sehen als Deutschland?

Die vielen Migranten aus muslimischen Ländern stärken den Antisemitismus. So findet auch der Import antisemitischer Einstellungen durch Araber und Türken statt. Sie verbreiten so, wie traditionell inländische Alt- und Neonazis ihren Judenhass. Seit dem 7.10. 2023 ist mit dem Angriff der islamischen Hamas auf Israel eine neue Eskalationsstufe erreicht. Seitdem finden verstärkt und sehr lautstark Anfeindungen, auch Anschläge statt[16]. Viele Muslime wollen ihren Gottesstaat auch bei uns errichten. Dann gäbe es keine Toleranz mehr, weshalb wir eine klare Trennung zwischen Religion und Staat befürworten. Dafür plädiert auch Rafael Seligmann in seinem neuen Buch „Brandstifter und ihre Mitläufer[17].

Die muslimischen Zuwanderer kommen aus politisch instabilen Ländern. Die Migranten sind oft geprägt von religiösem Fanatismus, vom politischen Islam. Die Herkunftsländer sind keine Demokratien. Sie sind eher autokratisch ohne Toleranz für Andersgläubige. Das ist alles auch ein gefährlicher Nährboden für Antisemitismus, einschließlich der Gefahr zunehmender Anschläge auf jüdische Einrichtungen.

Die Lobbyarbeit muslimischer Verbände ist gleichzeitig auch bei unseren Medien erfolgreich[18]. Ist es wirklich notwendig, einen vermeintlich antimuslimischen Rassismus in Deutschland vorrangig zu thematisieren und daraus abzuleiten? Sicher gibt es auch benachteiligte Muslime in diesem Land. Die Bedrohung für die Juden erscheint derzeit viel höher.

Zunächst müsste die Zuwanderung von Antisemiten nach Deutschland gezielt unterbunden werden. Dafür wäre eine grundsätzliche Registrierung auch an den deutschen Grenzen notwendig. Wer keine Papiere hat, darf grundsätzlich nicht einreisen.

Nach allem was passiert ist, dürfen Juden in diesem Land keine Angst mehr haben. Das sollte unbedingt Staatsraison sein.

Es kommt hinzu: Israel ist militärisch schwer zu halten. Israel hatte Glück, in den vielen Kriegen meist die Oberhand zu behalten, zumindest nicht unterzugehen. Es ist müßig, alle Konflikte und Krieg aufzulisten, daher sei hier auf andere Quellen verweisen[19].  

Israel muss dauerhaft gegenüber feindlichen Anschlägen und Kriegen geschützt sein. Technische Überlegenheit ist dafür eine Voraussetzung. Vor diesem Hintergrund blüht die Sicherheitsindustrie in dem Land. Es ist eben auch ein Leben in ständiger Angst. Speziell Deutschland muss hier helfen. Es liefert Waffen. Eine weitere Eskalation ist gefährlich. Auch Benjamin Netanyahu könnte dabei im Wege stehen. Mit den Anschlägen der Hamas kann er nicht mehr auf den „Nimbus der Unbesiegbarkeit“. Der Publizist und Historiker Rafael Seligmann nennt ihn in seinem Buch auch als „Brandstifter“, und fordert seinen Rücktritt: „Denn jeder Tag, den Bibi länger am Amt klebt, gefährdet Israel zunehmend.“[20]

Ein neuer, größerer Konflikt ist nicht auszuschließen. Die Brandstifter außerhalb Israels blieben aktiv und basteln auch an Massenvernichtungswaffen. So bleibt die Region ein „Pulverfass“. Es wäre Israel und seinen Nachbarn zu wünschen, dass sie wieder zur Ruhe kommen.

Es ist u.E. aus deutscher Perspektive richtig, den Juden jetzt zu helfen und ihnen eine sichere Bleibeperspektive zu bieten, ohne die Gefahr von antisemitischen Anschlägen. Anstatt international Sozialflüchtlinge nach Deutschland einreisen zu lassen, sollte die Einwanderungspolitik sich künftig auf verfolgte Juden fokussieren, auch als Rückzugsraum für Menschen, die in Israel nicht mehr leben können oder wollen. Wenn wir hier wider den Kompass richtig ausrichten, können wir ihnen auch die Sicherheit bieten, die sie suchen. Hier gibt es auch gut begründbar eine Verpflichtung durch den Holocaust, den das NS-Regime unter Führung von Hitler auslöste. Warum sollte Deutschland nicht zumindest versuchen, neben den USA und Israel zur größten Heimstätte jüdischer Bürger zu werden? Hier würde uns sogar Merkels Diktum „Wir schaffen das![21], dass sie vor ihrer verfehlten Flüchtlingspolitik formulierte, gefallen.

IEM-Team, 02.08.2024

 

[1] Vgl.: Jüdische Gemeinschaft in Deutschland, BMI, download: https://www.bmi.bund.de/DE/themen/heimat-integration/gesellschaftlicher-zusammenhalt/staat-und-religion/juedische-gemeinschaft/juedische-gemeinschaft-node.html, abgerufen am 30.07.2024.

[2] Vgl. Statista Research Department: Anzahl der Juden in ausgewählten Ländern 2023, statista.com, 04.03.2024.

[3] Vgl. Jüdisches Leben in Deutschland, antisemitismusbeauftragter.de, download: https://www.antisemitismusbeauftragter.de/Webs/BAS/DE/juedisches-leben/juedisches-leben-node.html, abgerufen am 01.08.2024.

[4] vermutlich säkularisierungsbedingt wie bei den anderen christlichen Religionen.

[5] Vgl. Mitglieder jüdischer Gemeinden in Deutschland bis 2023, Statista Research Department, 03.07.2024, download: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1232/umfrage/anzahl-der-juden-in-deutschland-seit-dem-jahr-2003/, abgerufen am 30.07.2024.

[6] Vgl.: Jüdische Gemeinschaft in Deutschland, BMI, download: https://www.bmi.bund.de/DE/themen/heimat-integration/gesellschaftlicher-zusammenhalt/staat-und-religion/juedische-gemeinschaft/juedische-gemeinschaft-node.html, abgerufen am 30.07.2024.

[7] Die meisten Juden wanderten nach Israel aus. Gorbatschow selbst bedauerte das, konnte das vor dem Hintergrund des Antisemitismus in der Vergangenheit jedoch nachvollziehen, vgl. Merle Hofer: Gorbatschow und Israel, israelnetz.com, 29.09.2022, download: https://www.israelnetz.com/gorbatschow-und-israel/, abgerufen am 31.07.2024.

[8] Erster Bundeskanzler der 1949 neugegründeten Bundesrepublik Deutschland.

[9] Zitiert aus der Rede Konrad Adenauers vor dem Deutschen Bundestag am 27.09.1951.

[10] Vgl. und zitiert aus: Franz Böhm: Eine deutsche Aufgabe: Offener Brief an die Antisemiten unter uns (1950, S. 126-160, in: Franz Böhm: Entmachtung durch Wettbewerb, Hrsg. Traugott Roser und Walter Oswalt, Berlin 2007, S. 159.

[11] Vgl. dazu: Michael Borchard: Das erste Treffen von Konrad Adenauer und David Ben-Gurion im Hotel Waldorf Astoria in New York, kas.de, 29.01.2020, download: https://www.kas.de/de/web/geschichte-der-cdu/kalender/kalender-detail/-/content/das-erste-treffen-von-konrad-adenauer-und-david-ben-gurion-im-hotel-waldorf-astoria-in-new-york, abgerufen am 05.07.2024. Am 12. Mai 1965 kam es zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel in der Amtszeit von Kanzler Ludwig Erhard.

[12] Was kann hier die Politik tun? Formelhaft und ritualisiert – wie eine Pflichtübung, der man sich entledigen muss – auf das Massenverbrechen hinzuweisen, verfehlt die Aufgabe, erreicht die Herzen nicht. 

[13] Dabei halfen viele Bücher und Filme, z.B. Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss (1978), Das Leben ist schön (1997) u.a..

[14] Dann  folgen Argentinien  (171 Tsd.), Russland (132 Tsd.) und Deutschland (125 Tsd.), Angaben lt. Statista Research Department: Anzahl der Juden in ausgewählten Ländern 2023, statista.com, 04.03.2024, download: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/37092/umfrage/anzahl-der-juden-in-ausgewaehlten-laendern/, abgerufen am 01.08.2024.

[15] Vgl.: Bundesverband Rias: Wieder mehr antisemitische Vorfälle, zdf.de, 25.06.2024, download: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/antisemitismus-rias-juden-vorfaelle-deutschland-100.html, abgerufen am 02.08.2024.

[16] Vgl. Christoph Strack: Gewalt und Angst – Berlins Juden in Sorge, dw.com, 22.05.2024, download: https://www.dw.com/de/gewalt-und-angst-berlins-juden-in-sorge/a-69150259, abgerufen am 02.08.2024.

[17] Rafael Seligmann: Brandstifter und ihre Mitläufer, Putin – Trump – Netanyahu: Warum sie erfolgreich sind und wie man sie stoppen kann, Freiburg im Breisgau 2024, S. 154 f.

[18] Es gab und gibt auch in den Medienanstalten einen mehr oder minder offenen linken Antisemitismus von Journalisten. Sie oder ihre Eltern trugen in ihrer Jugend oft ihren Parka (damals Einheitskleidung) mit Arafat-Schal. Jassir Arafat war von 1969-2004 Chef der palästinensischen Befreiungsbewegung (PLO). Auch die deutsche Rote Armee Fraktion (RAF) sympathisierte und kooperierte mit palästinensischen Terroristen, vgl. dazu: https://www.landshut77.de/de/hintergruende/linksterrorismus, abgerufen am 02.08.2024.

[19] Vgl.: Ernst Eisenbichler: Chronik: Zeitstrahl: Krieg und Frieden im Nahen Osten, br.de, 05.08.2014, download: https://www.br.de/nachricht/spezial/chronologie-nahostkonflikt-100.html, abgerufen am 02.08.2024.

[20] Zitiert aus: Rafael Seligmann: Brandstifter und ihre Mitläufer, Putin – Trump – Netanyahu: Warum sie erfolgreich sind und wie man sie stoppen kann, Freiburg im Breisgau 2024, S. 102.

[21]  „Deutschland ist ein starkes Land. ….Wir schaffen das!“, Bundeskanzlerin Merkel erklärte am 31.08.2015 ihre Ziele in der Flüchtlingspolitik, ardmediathek.de, ein spannendes Dokument der Zeitgeschichte, „Wir schaffen das“ kommt zwischen der 13 und 14. Minute in der offenen Fragerunde während der Bundespressekonferenz, download: https://www.ardmediathek.de/video/phoenix-unvergessene-szenen/angela-merkel-wir-schaffen-das/phoenix/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLTAwMjE5ZGUzLWNhYzQtNDU3NC04Y2ZlLTM2OWU4OGQxNGYyYQ, abgerufen am 02.08.2024.

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