Kommentar zu SZ Artikel “Der Herr Laschet von der FDP”

Alexander Hagelüken hat in der Süddeutschen Zeitung unter der Überschrift “Der Herr Laschet von der FDP” einen Kommentar verfasst (www.sueddeutsche.de, 08.07.2021, abrufbar hier), dem wir inhaltlich widersprechen:

Der Kanzlerkandidat der Union ignoriert die Mehrheit der Gesellschaft: Nach der Wahl will er vor allem Gutverdiener finanziell besserstellen. Das ist ein Affront gegen viele Millionen hart arbeitende Bürger.

Stimmt das so? Wir meinen, nein. Mit einer Neiddebatte ist niemandem geholfen, mit dem Motto, „Leistung muss sich wieder lohnen“ schon eher.

Eines kann wirklich keiner behaupten: dass es im Wahlkampf 2021 bisher darum ginge, was die Parteien für das Land tun wollen. Im Zentrum stehen kleinere oder vermeintliche Fehltritte der grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Für den Konkurrenten aus der Union ist das ideal. Der freundliche Armin Laschet muss nur in die Kameras lächeln, um seine Umfragewerte zu steigern. Für die Deutschen wäre es jedoch wichtiger zu verstehen, was die verschiedenen Parteien fürs Land tun wollen. Und da zeigt sich: Im netten Armin verbirgt sich womöglich ein kaltes Herz. Der Mann riskiert die soziale Spaltung des Landes.

Der Begriff „kaltes Herz“ passt nicht zu Armin Laschet. Das ist verunglimpfend abwertend. Wer ihn näher kennt, würde das nicht behaupten. Sicher will Armin Laschet das Land auch nicht spalten. Die Gefahr besteht eher bei einer grün-roten Regierung, die die Bürger dirigistisch lenken würde und so viele zur „Abwanderung“ ermutigen würde. Bereits jetzt gibt die Auswanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte zu Sorgen Anlaß.

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat auf den Euro genau berechnet, was die Steuer- und Sozialpläne der Parteien für jeden Bürger bedeuten. Diese Analyse dechiffriert die Sprachgirlanden der Wahlprogramme. Sie legt offen, dass sich SPD, Grüne und Linke um die Mehrheit der Bevölkerung kümmern wollen. Sie planen vor allem mehr Geld für jene, die mittelmäßig oder wenig verdienen.

Die Union dagegen konzentriert sich auf Gutverdiener. Laschet will Haushalte mit einem Monatseinkommen oberhalb von 12 000 Euro weitaus stärker entlasten als den Rest der Gesellschaft. Gutverdiener dürfen etwa durch Steuerentlastungen 5000 Euro mehr im Jahr erwarten. In der Mitte und bei Geringverdienern sind es 100 oder 400 Euro.

Für eine Partei, die die letzte verbliebene Volkspartei sein will, ist das desaströs. Ökonomen rechnen vor, dass die Pläne der Union die Kluft zwischen Reichen und dem Rest der Gesellschaft weiter vergrößern würden. Laschet gibt auf die Entwicklungen der vergangenen 30 Jahre eine Antwort, die genau die falsche ist.

Das wird einfach so behauptet. Die Kluft zwischen Reichen und dem Rest der Gesellschaft entsteht eher dadurch, dass die Besteuerung generell viel zu hoch ist. Das vor allem beim Arbeitseinkommen der Fall. Der Aufstieg wäre leichter möglich, wenn es für alle Arbeitnehmer eine Flattax von 25% gäbe. Dann gäbe es eine Gleichbehandlung mit der Kapitalbesteuerung.

In dieser Zeit hat sich die Arbeitswelt überall in den Industriestaaten zweigeteilt. Niedriglöhne nahmen zu, die Mittelschicht schrumpfte. Manche Büromenschen und Facharbeiter zittern um ihren Job, weil die Konkurrenz durch China und neue Technologien schärfer wird. Software-Entwickler oder Managerinnen dagegen sind gefragter, was ihr Gehalt hochtreibt. Und die vermögende Minderheit freut sich über steigende Firmengewinne und Immobilienpreise.

Wie erwähnt, die Steuerpolitik ist falsch und am Ende auch unsozial. Laschet und Merz haben hier die Chance, die bestehenden Schieflagen wieder auszugleichen. Nach wie vor ist eine einfachere und transparentere Steuerpolitik anzustreben.

Doch statt etwas für die Mitte und Geringverdiener zu tun, entlastete die Politik steuerlich ausgerechnet die Gutverdiener – und schonte dazu Gewinne und Vermögen. Und Armin Laschet? Statt diesen Fehler zu korrigieren, setzt er noch einen drauf. Es darf sich niemand wundern, wenn sich demnächst auch in Deutschland die Wut der wirtschaftlich Unzufriedenen entlädt, wie dies in den USA oder Großbritannien schon geschehen ist.

Die Union argumentiert, dass sie die Wirtschaft stärken möchte, die stehe ja im internationalen Wettbewerb. Das stimmt. Die nächste Regierung sollte etwas für die Firmen tun, indem sie Geld für den digitalen und ökologischen Umbau bereitstellt und Investitionen steuerlich belohnt. Das kostet viele Milliarden, aber die sind gut angelegt. Was der Wirtschaft dagegen nicht hilft: Gutverdiener pauschal von Solidaritätszuschlag und Spitzensteuer zu entlasten, während die Mehrheit der Deutschen ignoriert wird.

Kanzlerkandidat Laschet könnte es also in Wahrheit um etwas anderes gehen als um die Wirtschaft. Und tatsächlich: Seine penetrante “Leistung muss sich lohnen”-Rhetorik kennt man sonst nur von der FDP. Laschets größte Angst scheint zu sein, nicht Kanzler zu werden, weil die FDP stark genug werden könnte für eine Regierung mit Grünen und SPD. Also will er der FDP die Wähler abjagen, indem er selbst ein FDP-Programm vorschlägt.

Das wird ihm einfach so unterstellt. Sicher favorisiert Armin Laschet ein Bündnis mit der FDP. Das passt vielen Gesellschaftsveränderern nicht.

Für die Funktionäre der Union ist es ja auch wichtig, ob sie ihr Dauer-Abo auf die Macht verlieren. Für die meisten Menschen in Deutschland dagegen ist etwas anderes wichtig: wer das Land am besten durch eine schwierige Zukunft steuern könnte. Dazu gehört: in einer schrumpfenden und alternden Gesellschaft mehr Frauen zum Arbeiten ermutigen, damit die Firmen Fachkräfte haben und die Renten finanzierbar bleiben. SPD und Grüne wollen finanzielle Nachteile für Mütter reduzieren, die wieder in den Beruf einsteigen – damit es mehr von ihnen tun, und mit mehr als ein paar Stunden Teilzeit. Die Union hat da nichts anzubieten. Und statt die Armutsfalle Minijob zu schließen, will sie diese sogar ausweiten.

Die Union möchte Leistung wieder belohnen und nimmt die Frauen dabei mit. Jede Einstiegschance, auch Minijobs, sollte genutzt werden. Um Armut, vor allem im Alter zu verhindern, ist eine umfassende Rentenreform notwendig. Der Kapitalmarkt ist in Deutschland weiterhin völlig unterentwickelt. Hier liegen Chancen, nicht in der immer neuen Umverteilung bei den Renten zu Lasten der jüngeren Generation. Dadurch verlieren sie das Vertrauen in die Fairneß des gesamten politischen Systems.

Armin Laschet erwirbt sich durch sein Auftreten Sympathien. Er wirkt weder schneidig wie Christian Lindner noch überehrgeizig wie Markus Söder. Was er bräuchte, ist ein politisches Programm, das dem Land weiterhilft. “Leistung muss sich lohnen”-Rhetorik mit Wohltaten für Gutverdiener zu verbinden, verhöhnt alle Pflegerinnen und Sachbearbeiter, die viel leisten, ohne dass es sich lohnt. Es ist ein Affront gegen die Mehrheit der Gesellschaft.

Ein politisches Programm, das dem Land weiterhilft, hat die Union bereits vorgelegt. Das sieht Chancen und Fortschritt für Alle vor. Die Vorstellungen Ludwig Erhards werden in das digitale 21. Jahrhundert übertragen. Sozialistische Experimente und seien sie noch so grün verpackt, helfen hier nicht.

Klar ist aber auch: Kanzlerkandidat Armin Laschet hat eine Herkulesaufgabe vor sich. Von den Linken wird er als „Marktradikaler“ verteufelt, den Rechten ist er zu „lasch“ vor allem in der Einwanderungsfrage. Wir trauen Armin Laschet zu, dass er das gespaltene Land wieder versöhnen kann und für „Maß, Mitte und Vernunft“ steht. Auch für die europäischen Staaten ist er ein verlässlicher Partner.

Es gilt, den Kompass wieder bürgerlich freiheitlich auszurichten, damit ein „Europa der Marktwirtschaften“ gelingen kann (Vgl. dazu unser Buch: SOS Europa).

Stephan Werhahn, Ulrich Horstmann, 14.07.2021

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